Digitaler Nachlass

Wer erbt eigentlich mein Facebook-Profil und mein Smartphone?

Wenn jemand stirbt, hinterlässt er neben Bankvermögen, Büchern usw. in der Regel auch einen digitalen Nachlass im Internet: Auch E-Mail-Konten, Facebook-Profile, PayPal-Guthaben und auf zentralen Datenspeichern abgelegte Dokumente („Cloud Computing“) können unter Umständen „vererbt“ werden.

Können Sie als Erbe alle Daten und Passwörter herausverlangen? Und können Sie als Erblasser verhindern, dass Ihre Erben Einblicke in intime, digital gespeicherte Aspekte Ihrer Persönlichkeit bekommen?

Wenn man als Nutzer nichts tut, kommt es rein praktisch auf die unterschiedliche Handhabung der verschiedenen Diensteanbieter an: Web.de und GMX eröffnen beispielsweise gegen Vorlage des Erbscheins den Zugang zum Account, während Yahoo Deutschland dies grundsätzlich ablehnt. Dazwischen gibt es zahlreiche Mischformen – Facebook etwa lehnt die Herausgabe von Zugangsdaten aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes ab, erlaubt es aber Dritten, die Seite durch Vorlage der Sterbeurkunde in den sog. Gedenkstatus zu versetzen. Die Erben können darüber hinaus die Löschung des Profils erwirken.

Was aber ist rechtlich zulässig?

Die Frage ist nicht leicht zu beantworten, weil das Thema „digitaler Nachlass“ juristisch noch wenig erschlossen ist, d.h es gibt viele Rechtsmeinungen, aber noch wenig Rechtsprechung (vgl. auch den Beitrag „Passwort zu vererben“ in der → Süddeutschen Zeitung vom 16.03.2012).

Die Sache ist außerdem kompliziert, weil „digitale Erbfälle“ inhaltlich im Spannungsfeld von Datenschutzregeln, Immaterialgüterrecht und richterlicher Kontrolle der Standardverträge der Diensteanbieter stattfinden. Ausgangspunkt ist der sog. postmortale Persönlichkeitsschutz einer jeden Person: Jeder Mensch hat das Recht auf den Schutz seiner Persönlichkeit, und dieses Recht wirkt auch nach seinem Tod für einige Zeit weiter (Art. 1 Abs.1 und Art. 2 Abs. 1 GG). Dieser Grundsatz hat Verfassungsrang und wirkt in privatrechtliche Verhältnisse hinein. Er „schlägt“ deshalb grundsätzlich auch eine anderweitige Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Diensteanbieters (§ 307 Abs. 1, 2 BGB). Es spricht daher aus rechtlicher Sicht viel dafür, dass die Diensteanbieter besonders intime und persönliche Daten des Verstorbenen (z.B. intime E-Mails) nicht an die Erben herausgeben dürfen – auch wenn sie dies bisweilen tun.

Umgekehrt können Sie als Erbe ein Recht auf Zugang haben, obwohl der Diensteanbieter sich weigert – vor allem dann, wenn der digitale Nachlassgegenstand einen realen Wert hat (PayPal-Guthaben usw.). Ein Anspruch auf Herausgabe wird zudem immer dann bestehen, wenn es dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen entspricht, den Erben Zugang zu den Daten zu geben.

Der mutmaßliche Wille eines Menschen lässt sich nach dessen Tod freilich nicht leicht bestimmen. Es empfiehlt sich daher, schriftlich festzuhalten, ob Passwörter und „digitaler Nachlass“ an Dritte herausgegeben werden sollen, und dies ggf. in regelmäßigen Abständen durch eigenhändige Unterschrift zu bestätigen. Dies sollte, damit die Passwörter jederzeit geändert werden können, nicht im Testament selbst geschehen, sondern in einer Liste, auf die im Testament verwiesen wird. Um ganz sicher zu gehen, dass alles so abläuft, wie man es sich wünscht, kann diese Liste dann zB in einem Bankschließfach hinterlegt werden. Bei Personen, die berufsmäßíg mit sensiblen Daten zu tun haben und bei denen es Handlungsbedarf geben kann, sollte durch Vollmachten sichergestellt werden, dass bei Krankheit, Geschäftsunfähigkeit oder Tod ein Bevollmächtigter alle notwendigen Maßnahmen ergreifen kann.

Falls Sie aber ihre digitalen Geheimnisse lieber „mit ins Grab nehmen“ wollen, sollten Sie ihren jeweiligen Diensteanbieter kontaktieren und versuchen, eine individuelle Vereinbarung zu treffen. Auf lange Sicht wäre wünschenswert, wenn Nutzer dies formularmäßig tun könnten.