Internationales Erbrecht für Erbfälle bis 16.08.2015

Internationales Erbrecht allgemein und deutsches internationales Erbrecht

Hinweis: Erläuterungen zum ab 17.08.2015 geltenden internationalen Erbrecht finden Sie hier.

Internationales Erbrecht im eigentlichen Sinne gibt es nicht, beziehungsweise kaum. Welche Institution, welches Parlament sollte es beschließen können? Wirklich international sind nur einige zwischenstaatliche und mehrstaatliche Verträge. Erbrecht ist hingegen immer nationales Erbrecht. Eine Übersicht über das in einzelnen Ländern Europas und weltweit jeweils geltende nationale Erbrecht finden Sie hier. Das „Internationale Erbrecht“ regelt also nicht, wie sich die Erbfolge bestimmt, sondern nur, welches Erbrecht – juristisch gesprochen: welches Erbstatut – gilt. Die Frage, die das Internationale Erbrecht löst lautet also lediglich: Gilt deutsches oder ausländisches Erbrecht?

Beispiel: Ein in Deutschland lebender Schweizer verstirbt. Nach welchem Recht richtet sich die Erbfolge?

Wer sich mit Internationalen Erbrecht befasst, kennt also nicht unbedingt die erbrechtlichen Regelungen der über 200 Erbrechtsordnungen der Welt, sondern vielmehr die Deutschen und gegebenenfalls ausländischen Zuständigkeitsregelungen.

Früher regelte diese Frage jeder Nationalstaat selbst in seinem „Internationalen Erbrecht“.Nach einem unter Juristen beliebten Bonmot war diese Bezeichnung doppelt falsch, da es weder internationales Recht (sondern nationales Recht), noch Erbrecht war (sondern Verfahrensrecht).

Der erste Einwand gilt seit 2012 nicht mehr. Für alle Erbfälle ab 17.08.2015 regelt die Europäische Erbrechtsverordnung (EU-Erbrechtsverordnung) einheitlich für alle Staaten der EU (außer Dänemark, Großbritannien und Irland) das internationale Erbrecht.

Für alle Erbfälle bis 16.08.2015 gilt auch heute noch das „deutsche internationale Erbrecht“, das im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt (EGBGB) und von vier Grundregeln bestimmt wird:

  1. Das Erbrecht richtet sich nach der Nationalität des Erblassers zum Todeszeitpunkt (Artikel 25 EGBGB), bei deutschen also nach deutschem Erbrecht, bei Ausländern nach ausländischem Erbrecht
  2. Sogenannte Einzelstatute mit denen fremde Staaten dort befindliches Vermögen besonderen Regeln unterwerfen (z.B. für Grundbesitz) wird gem. Art 3a Abs. 2 EGBGB (früher Art. 3 Abs. 3 EGBGB) unabhängig von der Staatsangehörigkeit anerkannt (Einzelstatut bricht Gesamtstatut)
  3. Bestimmt das ausländische internationale Erbrecht, dass deutsches Erbrecht gelten soll (sog. Rückverweisung), so bleibt es nach deutschem internationalen Erbrecht dabei. Es findet deutsches Erbrecht Anwendung (Artikel 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB), auch wenn die Rückverweisung nur bestimmte Gegenstände (z.B. deutsche Grundstücke) betrifft.
  4. Für im Inland belegenes unbewegliches Vermögen (zum Beispiel Grundstücke) kann der Erblasser die Anwendung von deutschen Erbrecht wählen.

Lösung zum Beispiel: Da der Erblasser Schweizer war, geht nach deutschem Internationalen Erbrecht zunächst Schweizer Recht (Grundregel 1). Allerdings ist nach Schweizer Internationalen Erbrecht nicht die Nationalität, sondern der letzte Wohnsitz des Erblassers für die Bestimmung des Erbstatuts maßgeblich. Nach Schweizer internationalem Erbrecht wäre also das deutsche Erbrecht anzuwenden. Da dieses hin und der Verweisung endlos wäre, bestimmt die Grundregel 3, das „die Rückverweisung angenommen “ wird, also (scheinbar entgegen Artikel 25 EGBGB) doch deutsches Erbrecht Anwendung findet.

Variante zum Beispiel: Der Schweizer Erblasser lebt in der Schweiz, hat aber ein Grundstück in Berlin. Lösung: Das deutsche internationale Erbrecht verweist wiederum auf das schweizerische Erbrecht. Auch nach schweizerischen Internationalen Erbrecht gilt das schweizerische Erbstatut, so dass schweizerisches Erbrecht anwendbar ist. Dies gilt auch für das in Berlin gelegene Grundstück. Allerdings könnte der Erblasser in seinem Testament nach bestimmen, dass sich die Rechtsnachfolge betreffend das in Berlin gelegene Grundstück nach deutschem Recht richten soll. Nach der Grundregel 4 wäre eine solche Rechtswahl wirksam.

Die Bestimmung des Erbstatuts kann erhebliche Auswirkungen haben, insbesondere auf die Wirksamkeit von Verfügungen und die Pflichtteilsrechte. So erkennt beispielsweise das französische Recht die Wirksamkeit eines gemeinschaftlichen Testaments nicht an. Richtet sich die Erbfolge nach französischem Recht, wäre ein gemeinschaftliches Testament unwirksam und damit unbeachtlich. Auch die gesetzliche Erbfolge ist im Ausland häufig anders geregelt (z. B. die Beteiligung des Ehegatten am Nachlass) und vor allem das Pflichtteilsrecht.

Es ist daher dringend geboten, bei Errichtung eines Testaments zu prüfen, ob ausländisches Recht Anwendung finden könnte. Gerade im Hinblick auf das Pflichtteilsrecht kann sich hieraus auch zusätzliche Gestaltungsfreiheit ergeben, da das Pflichtteilsrecht nach deutschem Recht kaum ausgeschlossen werden kann. Kennt das ausländische Recht keinen oder nur einen geringeren Pflichtteil, kann man durch geeignete Gestaltungen einen unerwünschten Pflichtteil jedenfalls erheblich minimieren.

Zusammenfassung internationales Erbrecht, Erbfälle bis 16.08.2015

Wann kommt die Anwendung ausländischen Erbrechts in Betracht:

Kein ausländisches Erbrecht findet Anwendung, wenn

  • der oder die Erblasser Deutsche sind
  • ihren Wohnsitz in Deutschland haben
  • und sämtliches Vermögen in Deutschland ist.

Ausländisches Erbrecht kann hingegen anwendbar sein,

  • wenn einer der Erblasser Ausländer ist
  • im Ausland wohnt
  • oder Vermögen im Ausland, namentlich Grundbesitz hat (z.B. Ferienimmobilie).