Erbrecht in der Schweiz

und deutsch-schweizerisches internationales Erbrecht 

Die Klärung, welches Recht Anwendung findet, ist in deutsch-schweizerischen Erbfällen teilweise kompliziert, da in bestimmten Konstellationen das deutsche und das schweizerische internationale Erbrecht zu abweichenden Ergebnissen kommen. Es kann daher vorkommen, dass im gleichen Erbfall deutsche Gerichte anders über das anwendbare Erbrecht entscheiden, als schweizerische Gerichte, ohne dass es eine Instanz gäbe, die diesen Entscheidungsdissens löst (sog. Nachlasskonflikt). Da das deutsche und schweizerische Erbrecht teilweise abweichende erb- und pflichtteilsrechtliche Konzeptionen verfolgen, kann dies weitreichenden Konsequenzen haben. Im Rahmen der Planung des eigenen Nachfolge muss in Fällen mit Berührung zur Schweiz diese Problematik daher durch geeignete Gestaltung des Testaments dringend gelöst werden. Für Erbfälle ab 17.08.2015 wird die Problematik im Wesentlichen gelöst, da dann die EU-Erbrechtsverordnung auch für Deutschland bestimmt, dass sich das anwendbare Recht nach dem letzten Wohnsitz richtet.

Das schweizerische internationale Erbrecht knüpft für die Frage des anwendbaren Erbrechts an den letzten Wohnsitz des Erblassers an (Art. 90 Abs. 1 IPRG), das deutsche internationale Erbrecht hingegen an die Staatsbürgerschaft. Auf die Lage des Vermögens bzw. der Immobilien kommt es hingegen nach keiner Rechtsordnung an. Welches Recht anwendbar ist, zeigt nachfolgende Übersicht:

 

 

Anwendbares Erbrecht nach

Staatsangehörigkeit

Letzter Wohnsitz

deutschem internat. Erbrecht

schweizerischem internat. Erbrecht

Deutsch

Deutschland - für Erbfälle bis 16.08.15**

D

D

Schweiz

D

CH

Schweizerisch

Deutschland - für Erbfälle bis 16.08.15**

D*

D

Schweiz

CH

CH

 *auf den ersten Blick, scheint nach deutschem Recht schweizerisches Recht zur Anwendung zu kommen. Das deutsche internationale Erbrecht verweist aber auf das gesamte schweizerische Erbrecht. Dieses verweist aufgrund des Wohnsitzes auf das deutsche Recht zurück, das deutsche Recht "nimmt diese Verweisung an" (Art. 4 Abs. 1 EGBGB).

**Für Erbfälle ab 17.08.2015 bestimmt die EU Erbrechtsverordnung, dass auch nach deutschen internationalen Erbrecht auf den Wohnsitz abzustellen ist.

Und welches Gericht entscheidet nun verbindlich? Das lässt sich so nicht beantworten, da der Kläger das Gericht auswählen darf. Praktisch wird es immer darauf ankommen, in welchem Land sich das Vermögen befindet.

Materielles Erbrecht:

Die Regelungen des schweizerischen Erbrechts selbst (sog. materielles Erbrecht) findet sich in den Art. 457 ff Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB).

Testamente/letztwillige Verfügung: Das schweizerische Erbrecht kennt nur Einzeltestamente und Erbverträge. Gemeinschaftliche Testamente von Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartnern, wie nach deutschem Recht (z.B. "Berliner Testament"), sind hingegen nicht zulässig. Letztwillige Verfügungen können eigenhändig handschriftlich oder in öffentlich beurkundeter Form getroffen werden (Art. 498 ZGB). In Ausnahmefällen allerdings mit nur begrenzter Gültigkeitsdauer ist auch ein mündliches Testament möglich (Art. 506 ff ZGB). Gemäß Art. 90 Abs. 2 IPRG kannn ein Ausländer sein Heimatrecht als Erbstatut in einem Testament wählen, so dass der oben dargestellte Konflikt für Deutsche lösbar ist, indem sie deutsches Recht wählen.

Die gesetzliche Erbfolge der Verwandten - nicht die des Ehegatten - ist ähnlich der deutschen gesetzlichen Erbfolge geregelt. Erben erster Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers (also leibliche und angenommene Kinder und Kindeskinder) (Art. 457 ZGB), Erben zweiter Ordnung sind die Eltern des Erblassers sowie deren Abkömmlinge (Art. 458 ZGB) , Erben dritter Ordnung sind die Großeltern (Art. 459 ZGB). Verwandte fernerer Ordnungen haben kein gesetzliches Erbrecht

Der Ehegatte des Erblassers - und ihm seit 01.01.2007 gleichgestellt der eingetragene, gleichgeschlechtliche Lebenspartner - erhält bei gesetzlicher Erbfolge neben Erben der ersten Ordnung die Hälfte, neben Erben zweiter Ordnung dreiviertel und wenn weder Erben der esten noch der zweiten Ordnung vorhanden sind den gesamten Nachlass als Alleinerbe, Art 462 ZGB.

Sind weder Erben erster bis dritter Ordnung, noch Ehegatte/Lebenspartner vorhanden, erben - anders als nach deutschem Recht - nicht die entfernteren Verwandten, sondern der Kanton oder die Gemeinde des letzten Wohnsitzes des Erblassers (Art. 466 ZGB).

Pflichtteil: Pflichtteilsberechtigte sind die Abkömmlinge des Erblassers und der Ehegatte, falls keine Abkömmlinge vorhanden sind auch die Eltern. Ein Pflichtteilsberechtigung besteht für die Abkömmlinge in Höhe von 3/4 ihres gesetzlichen Erbteils, für die Ehegatten/Lebenspartner sowie ggf. die Eltern in Höhe von 1/2 ihres gesetzlichen Erbteils (Art. 471 ZGB) . Die Pflichtteilsquoten für Kinder sind damit höher als nach deutschem Recht.

Anders als im deutschen Recht ist der Pflichtteil kein schuldrechtliche Anspruch gegen den Erben, sondern ein gesetzliches Noterbrecht. Im Umfang des Pflichtteils ist dem Erblasser die Verfügung über sein Vermögen entzogen. Verfügt er entgegen diesen Vorgaben, kann bzw. muss der Pflichtteilsberechtigte die Verletzung seines Pflichtteilsrechts im Wege der Herabsetzungsklage geltend machen. Als Folge der Herabsetzungsklage wird der Pflichtteilsberechtigte in Höhe seiner Pflichtteilsquote am Nachlass beteiligt. Anders als nach deutschem Recht bekommt er also keinen Geldanspruch, ist dafür jedoch unmittelbar an den Nachlassgegenständen (z.B. Immbolien) als Miterbe beteiligt.

Literatur zum schweizerischen Erbrecht:
Allgemein: Schömmer/Bürgi , Internationales Erbrecht Schweiz, Verlag C.H.Beck 2006; Ferid u.a. Internationales Erbrecht, Ordner VII Schweiz, Verlag C.H.Beck 2002; Süß Erbrecht in Europa, Zerb Verlag 200;Wachter, Schweiz: Erbrecht des überlebenden Ehegatten - Viertellösung im Achtelstreit, ZEV 2002, 268

Zum Erbstatut: von Oertzen, Anwendbares Erbrecht in deutsch-schweizerischen Erbfällen, ZEV 2000, 495

Zur Nachfolgeplanung: Lorenz, Disharmonie im deutsch-schweizerischen internationalen Erbrecht — Koordinierungsmittel für die notarielle Praxis, DNOTZ 1993, 148

Zum Pflichtteilsrecht: Mayer, Süß, Tanck, Bittler, Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht § 19, Zerb Verlag 2010

Schweizerische Gesetzestexte unter: //www.gesetze.ch/

(07.04.2015, Rechtsanwalt Sebastian Höhmann, Fachanwalt für Erbrecht)



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