Kein Versehen des Gesetzgebers, sondern Absicht ist, dass für viele Bürger*innen die Erbschaftsteuer keine Rolle spielt. Die Erbschaftsteuer ist eine der unbeliebtesten Steuern („das hab‘ ich doch alles schon versteuert“) und das weiß auch der Gesetzgeber, der daher Otto Normalverbraucher von der Erbschaftsteuer verschonen will. Wichtigstes Mittel hierzu sind die sogenannten persönlichen Freibeträge, die den Bedachten in Abhängigkeit von familiärer Nähe gewährt werden.
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Die persönlichen Freibeträge sind in § 16 ErbStG geregelt und geltend für alle unentgeltlichen Zuwendungen, also Schenkungen, Erbschaften, Vermächtnisse, Verträge zu Gunsten Dritter, Pflichtteile, etc.
Ein Freibetrag bewirkt, dass in der Höhe des Freibetrages der Bedachte auf den Erwerb keine Steuer zahlen muss.
Beispiel: Eine Mutter schenkt ihrem Sohn 500.000 €. In Höhe von 400.000 € ist der Erwerb steuerfrei. Er muss also nur 100.000 € (mit 11 % = 11.000 €) versteuern.
Der Freibetrag wird dabei pro Schenker/Erblasser gewährt. Schenken in dem Beispiel die Eltern gemeinsam dem Sohn 500.000 €, schenkt also jeder Elternteil 250.000 €, so fällt keine Schenkungsteuer an, da der Freibetrag nach jedem Elternteil in Höhe von 400.000 € gewährt wird und bei beiden nicht überschritten wird.
Um zu vermeiden, dass durch Stückelung von Schenkungen dje Freibetragsregelungen umgangen werden, werden die Freibeträge nur alle zehn Jahre gewährt. Konkret wird dies dadurch erreicht, dass bei Berechnung der Steuer alle Erwerbe innerhalb von 10 Jahren zusammengerechnet werden (§ 14 ErbStG).
Beispiel: Schenkt die Mutter am 01.01.2011 und am 01.01.2020 jeweils 250.000 €, so bleibt die erste Schenkung steuerfrei. Bei der zweiten Schenkung wird die Steuer wie folgt berechnet:
250.000 € + 250.000 € = 500.000 €
500.000 € – 400.000 € = 100.000 €
Sie beträgt also wiederum 11.000 €
(11% von 100.000 €).
Die Steuer sparen könnte sie, indem sie mit der zweiten Schenkung bis 2021 wartet.
| Freibeträge Todesfall/Schenkung nach 01.01.2009, | |
| Ehegatte | 500.000 € |
| Eingetragener Lebenspartner* | 500.000 € |
| Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2 (also auch Stiefkinder) und Kinder von verstorbenen Kindern im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2 | 400.000 € |
| Enkel, Urenkel, etc. im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2, Eltern nicht verstorben) | 200.000 € |
| Sonstige Personen Steuerklasse I (= Eltern und Voreltern beim Erwerb von Todes wegen) | 100.000 € |
| alle anderen Personen (z.B. Geschwister, Neffen, Nichten, nichteheliche Lebensgefährten, Freunde | 20.000 € |
Ehegatten und (eingetragene) Lebenpartner erhalten im Todesfall zusätzlich einen Versorgungsfreibetrag von bis zu 256.000 € (§ 17 Abs. 1 ErbStG). Der Höchstbetrag mindert sich, wenn dem Ehegatten / eingetragenen Lebenspartner nicht der Erbschaftsteuer unterliegende Versorgungsansprüche zustehen, also z.B. Witwenrenten. Der Wert der Rente wird abhängig von der Höhe und des Lebensalters nach § 14 BewG berechnet und von dem Höchstbetrag abgezogen.
Kindern des Erblassers im Alter bis zu 27 Jahren wird ein zusätzlicher Versorgungsfreibetrag in Höhe von bis zu 52.000 € gewährt (§ 17 Abs. 2 ErbStG).
Steuerbefreiung selbstgenutzten Familienheims
Von der Erbschaftsteuer freigestellt ist die vom Erblasser als Erstwohnung selbst bewohnte Immobilie (sog. Familienheim), wenn der überlebende Ehegatte/eingetragenen Lebenspartner es unverzüglich nach dem Tod zu eigenen Wohnzwecken weiterbewohnt (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 b. ErbStG). Die Steuerbefreiung entfällt rückwirkend, wenn das Familienheim innerhalb einer Zehnjahresfrist verkauft oder vermietet wird. Eine Ausnahme von der Nachversteuerung besteht für den Fall, dass die Selbstnutzung aus zwingenden objektiven Gründen aufgegeben wird. Hierunter fallen z. B. Tod oder erhebliche Pflegebedürftigkeit (Pflegestufe 2).
Die gleiche Befreiung besteht auch bei unverzüglichen Einzug und 10jähriger Selbstnutzung des Familienheims durch Kinder, allerdings nur soweit die Wohnfläche 200 qm² nicht übersteigt (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 c. ErbStG).
Praxistipp: Ein unverzüglicher Einzug wird vom Finanzamt grundsätzlich nur angenommen, wenn der Einzug innerhalb von 6 Monaten erfolgt. Ist dies nicht möglich, da noch Streit unter den Erb*innen besteht oder Renovierungsarbeiten vorzunehmen sind, lassen Sie sich dringend rechtzeitig beraten, ob und unter welchen Voraussetzungen die Frist „verlängert“ werden kann.
Wer schon zu Lebzeiten ein Familienheim an seinen Ehegatten/eingetragenen Lebenspartner verschenkt, wird von der Schenkungsteuer verschont, ohne dass auf die 10jährige Nachnutzung ankommt (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG).
Die persönlichen Freibeträge und der Versorgungsfreibetrag werden vom Finanzamt automatisch gewährt, ein gesonderter Antrag o.ä. ist nicht erforderlich. Anzugeben sind in der Steuererklärung aber die Vorschenkungen (auch Barschenkungen, diese zu verschweigen ist Steuerhinterziehung). Auch die Verschonung des Familienheims wird automatisch gewährt; allerdings ist hierzu ein gesondertes Formular auszufüllen und ggf. die unverzügliche Weiternutzung nachzuweisen.
Durch fachgerechte Nachlassplanung können u.U. erhebliche Erbschaftsteuerbeträge eingespart werden, die durch ein falsches Testament anfallen würden. So ist z.B. das beliebte Berliner Testament, bei dem der überlebende Erblasser zunächst alles erbt, häufig nur um es nach ein paar Jahren an die Kinder weiterzuvererben, ein Geschenk an das Finanzamt. Die Freibeträge der Kinder nach dem erstverstorbenen Ehegatten gehen dabei nämlich verloren, der Erwerb vom Überlebenden wird künstlich erhöht.
Auch wenn Sie Ihre Kinder bedenken wollen, ist zu überlegen, ob nicht in Wahrheit nicht schon die Enkel begünstig werden können bzw. sollen und auch so zusätzliche Freibeträge generiert werden können. Will man gleichzeitig aber vermeiden, dass das ungeliebte Schwiegerkind (mittelbar) Einfluss bekommt oder die Enkel schon in frühen Jahren über ein größeres Vermögen verfügen, muss das durch geeignete Schutzmaßnahmen (Sorgeverfügung, Testamentsvollstreckung) flankiert werden.
Welche Steuersätze gelten in welchen Steuerklassen?
Was gilt bei Erbfällen mit internationalem Bezug?
Was muss ich als Unternehmer / Unternehmerin beachten?
Welche Steuern spielen sonst bei Schenkung und Erbfall eine Rolle?
