Erbrecht in China

und internationales Erbrecht Deutschland – China

China (ohne Hongkong, Taiwan und Macau)

1. Ein chinesischer Staatsbürger verstirbt in Berlin, ein Deutscher in Peking: Gilt deutsches oder chinesisches Erbrecht („Erbstatut“)?

Die Klärung, welches Recht Anwendung in deutsch-chinesischen Erbfällen gilt, ist außerordentlich kompliziert. Zum einen kommen das deutsche und das chinesische internationale Erbrecht zu abweichenden Ergebnissen, so dass es sein kann, dass im gleichen Erbfall deutsche Gerichte anders über das anwendbare Erbrecht entscheiden, als chinesische Gerichte. Außerdem muss zwischen der Mobiliarerbfolge (bewegliche Sachen) und der Immobiliarerbfolge (Grundstücke) unterschieden werden.

Nach einer Neuregelung des chinesischen internationalen Erbrechts zum 01.04.2011 ist des Weiteren zwischen Todesfällen vor dem 01.04.2011 und danach zu unterscheiden.

Die nachfolgende Darstellung betrifft nur Fälle, in denen der Erblasser nach dem 01.04.2011 verstorben ist. Sprechen Sie uns an, wenn in Ihrem Fall der Erblasser schon vorher verstorben ist.

Da es kompliziert ist, herauszufinden, ob man chinesisches oder deutsches Recht anwenden muss, stellen wir diese Frage zunächst als Übersicht:

Häuser, Wohnungen Es gilt das Erbrecht des Ortes, an dem sich die Immobilie befindet, unabhängig von Staatsangehörigkeit und letztem Wohnsitz des Erblassers (gilt nach deutschem und chinesischem Recht)
Schmuck, Bargeld, Bankguthaben, PKWs Fall 1: Deutscher Erblasser mit letztem Wohnsitz in China

In Deutschland wendet das Gericht deutsches Erbrecht an.

In China wendet das Gericht chinesisches Erbrecht an.

Fall 2: Chinesischer Erblasser mit letztem Wohnsitz in Deutschland

In Deutschland wendet das Gericht deutsches Erbrecht an.

In China wendet das Gericht ebenfalls deutsches Erbrecht an.

Fall 3: Chinesischer Erblasser mit letztem Wohnsitz in China (Bankguthaben in Deutschland)

In Deutschland wendet das Gericht chinesisches Erbrecht an.

In China wendet das Gericht ebenfalls chinesisches Erbrecht an.

Und welches Gericht entscheidet nun verbindlich?

Das lässt sich so nicht beantworten, da der Kläger das Gericht auswählen darf. Wegen der Schwierigkeit, Urteile aus einem Land in dem jeweils anderen zu vollstrecken, wird es praktisch aber immer darauf ankommen, in welchem Land sich das Vermögen befindet und sich eine Vollstreckung lohnt.

Mobiliarerbfolge: Welches Erbrecht gilt z.B. für Bankguthaben?

Für ein chinesisches Gericht kommt es darauf an, in welchem Land der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte, § 31 des „Gesetzes der Volksrepublik China zur Anwendung auf zivilrechtliche Beziehungen mit Außenberührung“ (nachfolgend: chinesisches IPR-Gesetz). Hatte also ein verstorbener chinesischer Staatsbürger seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, so wird auch in China deutsches Erbrecht für Bankguthaben bei einer Bank in Shanghai angewendet – ein überraschendes Ergebnis.

Vor einem deutschen Gericht wird, wenn in Deutschland ein chinesischer Staatsbürger verstirbt, zunächst chinesisches Recht angewendet, da das deutsche Recht nicht an den letzten Wohnsitz, sondern die Staatsangehörigkeit des Erblassers anknüpft (Art. 25 Abs. 1 EGBGB). Da das chinesische Recht aber wiederum vorsieht, dass es auf den letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort ankommt und zurück nach Deutschland verweist, wird das deutsche Gericht auf diesen Fall schließlich deutsches Recht zu Grunde legen.

Immobiliarerbfolge: Was gilt z.B. für Wohnungen in Beijing oder Shenyang, was für ein Haus in Berlin?

Vor einem chinesischen Gericht kommt es nach § 31 des chinesischen IPR‑Gesetzes allein darauf an, wo sich die Immobilien befinden. Bzgl. einer Wohnung in Beijing oder Shenyang wird deshalb chinesisches Erbrecht angewendet, selbst wenn der verstorbene Eigentümer der Wohnung in China deutscher Staatsangehöriger war.

Dieses sogenannte Einzelstatut würde auch vor einem deutschen Gericht anerkannt (Art. 3a Abs. 2 EGBGB), so dass sich die Erbfolge hinsichtlich sämtlichen Immobiliarvermögens einheitlich nach dem Recht des Landes richtet, in dem sich die Wohnung oder das Haus befindet. Hat also ein deutscher Staatsbürger in China eine Wohnung hinterlassen, würde in Deutschland insoweit chinesisches Recht zur Anwendung kommen. Vererbt ein chinesischer Staatsbürger ein Loft in Berlin, gilt dafür deutsches Recht.

Testamente mit Auslandsberührung sind nach chinesischem Recht wirksam, wenn sie entweder dem Recht des Landes entsprechen, in dem sich der Erblasser bei der Errichtung aufgehalten hat oder in dem er verstorben ist. Außerdem reicht es immer aus, wenn das Recht des Landes eingehalten wird, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser hatte (§ 33 des chinesischen IPR-Gesetzes).

2. Materielles Erbrecht in China (für Hongkong, Taiwan und Macau gelten zum Teil andere Regeln)

Sollte tatsächlich einmal chinesisches (und nicht deutsches) Erbrecht zu Anwendung kommen, so sind die folgenden Besonderheiten zu beachten:

Testament

Die testamentarische Einsetzung eines formalen Erben, der nicht zur Familie im weiteren Sinne gehört (und mit der dann ggf. auch die vollständige Enterbung der eigenen Kinder einhergeht), ist dem chinesischen Recht unbekannt. Der Grundsatz der Testierfreiheit (yizhu ziyou yuanze) wird vielmehr in der Weise eingeschränkt, dass Dritte, die nicht zu den gesetzlichen Erben gehören, nur sog. Vermächtnisse erhalten können, § 16 Abs. 3 Erbgesetz der VR China vom 10.04.1985 (nachfolgend: ErbG). Die Unterschiede zwischen Erbe und Vermächtnis sind – anders als in Deutschland – allerdings vorwiegend technischer Natur, so dass wirtschaftlich auch familienfremde Personen testamentarisch bedacht werden können.

Das Testament kann nach chinesischem Recht in verschiedener Weise errichtet werden. Üblich sind – wie im deutschen Recht – das vollständig mit eigener Hand geschriebene Testament, bei dem möglichst das genaue Datum anzugeben ist, und das öffentliche (notarielle) Testament. Im Unterschied zum deutschen Recht hat nach chinesischem Recht aber das öffentliche Testament Vorrang vor einem späteren handschriftlichen Testament – auch wenn dies dem erklärten Willen des Erblassers widerspricht.

Bei größeren Nachlassen und Grundstücken können ggf. bereits bei Testamentserrichtung behördliche Genehmigungen erforderlich werden.

Die gesetzliche Erbfolge

Auch im kommunistischen China ist das Erbrecht für den überwiegenden Teil des privaten Eigentums geschützt.

Gesetzliche Erben sind

  1. Ehegatten, Kinder und Eltern (1. Ordnung),
  2. Brüder, Schwestern, Halbgeschwister, Großeltern (2. Ordnung),

wobei die 2. Ordnung erst erbt, wenn in der 1. Ordnung auch keine Abkömmlinge der dort genannten gesetzlichen Erben (z.B. Enkelkinder) vorhanden sind.

Nach Art. 13 ErbG erhalten die Erben einer Ordnung in der Regel den gleichen Erbteil. Ausnahmen gibt es, wenn einer der Erben in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt bzw. arbeitsunfähig ist. Auch Unterhaltspflichten und zu Lebzeiten erbrachte Leistungen des Erben können eine Rolle spielen.

Besonderheiten bei ausländischen Erben

Ausländische Erben dürfen größere chinesische Grundstücke, die nicht den eigenen Wohnbedürfnissen dienen, grundsätzlich nicht erben. Dies gilt auch im „modernen“ chinesischen Erbrecht fort. Auch bei kulturhistorisch bedeutsamen Gegenständen gibt es Einschränkungen.

Der Umfang dessen, was der Vererbung unterliegt, ist in § 3 ErbG geregelt. Danach können bestimmte Produktionsmittel unter Umständen aus dem Nachlass (yichan) herausfallen.

Literatur:

  • Liu, Das chinesische internationale Erbrecht, München 2005
  • Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht: China, 24. EL 2011
  • Eberl-Borges, Erbrecht in China, ErbR 2013, S. 15 ff.