Erbrecht in Polen

und deutsch-polnisches internationales Erbrecht

Hinweis: Rechtsanwältin Elisabeta Schidowezki berät sie zum polnischen Erbrecht

Erbstatut: Welches Recht findet in deutsch-polnischen Erbfällen Anwendung

Polen und Deutschland sind beide Mitgliedstaaten der EU-Erbrechtsverordnung. In beiden Ländern ist mithin das Recht desjenigen Staates anwendbar, in welchem der Erblasser/die Erblasserin seinen/ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder dessen Recht er oder sie wirksam gewählt hat. Damit ist sichergestellt, dass beide Staaten dasselbe Recht anwenden.

  • Näheres zur EU-Erbrechtsverordnung finden Sie hier.
  • Näheres zum Erbstatut aus deutscher Sicht für Erbfälle bis 16.08.2015 finden Sie hier.
  • Falls in Ihrem Erbfall deutsches Recht zur Anwendung kommt, finden Sie das Wichtigste zum deutschen Erbrecht unter Erbrecht kurz gefasst
  • oder ausführlicher zu einzelnen Stichpunkten im Erbrechts-ABC.

Polnisches Erbrecht: Das materielle Erbrecht in Polen

 Das polnische materielle Erbrecht ist im Zivilgesetzbuch (Kodeks cywilny) vom 23.04.1964 geregelt und vom Grundsatz des Familienerbrechts geprägt. Wenn der Erblasser/die Erblasserin nicht abweichend testamentarisch verfügt hat, sieht die gesetzliche Regelung vor, dass der Nachlass auf die Verwandten übergeht.

1. Gesetzliche Erbfolge: Das gesetzliche Erbrecht der Verwandten

Gesetzliche Erben sind nach Ordnungen aufgeteilt, wobei die jeweils vorhandene Ordnung die nachfolgende ausschließt (Art. 932 ZGB).

Erben 1. Ordnung: Das sind die Kinder (eheliche, nichteheliche, adoptierte) des Erblassers/der Erblasserin und der Ehegatte. Diese erben grundsätzlich zu gleichen Teilen.  Allerdings erbt der Ehegatte mindestens ¼. Enkelkinder erben nur anstelle ihres erbberechtigten Elternteils, falls dieser die Erbschaft ausgeschlagen hat oder im Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr lebt.

Erben 2. Ordnung: Das sind der Ehegatte, die Eltern sowie die Geschwister des Erblassers/der Erblasserin, bzw. deren Abkömmlinge. Der Erbteil des Ehegatten beträgt in der zweiten Ordnung ½.

Sind weder Eltern noch Geschwister vorhanden, erbt der überlebende Ehepartner alleine.

2. Gesetzliche Erbfolge: Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten

Der Ehegatte ist erbberechtigt, sofern die Ehe im Zeitpunkt des Erbfalls noch bestand, also weder geschieden noch gerichtlich getrennt war.

Neben seinem gesetzlichen Erbteil erhält der Ehegatte zusätzlich als gesetzliches Vorausvermächtnis die mit dem Erblasser/der Erblasserin gemeinsam benutzten Haushaltsgegenstände (Art. 939 § 1 ZGB).

Anders als Deutschland, ist der gesetzliche Güterstandes in Polen, die so genannte Gütergemeinschaft. Polen ist nicht Mitgliedstaat der EuGüVO. Das anwendbare Güterrecht richtet sich nach dem  gemeinsamen Heimatrecht der Ehegatten, ersatzweise dem Recht des gemeinsamen Wohnsitzes, ersatzweise dem Recht, zu dem die engste Verbindung besteht. Rechtswahlmöglichkeiten bestehen zugunsten des Heimatrechts eines Ehegatten oder des Recht des gewöhnlichen Aufenthalts eines Ehegatten.

Lebten die Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Gütergemeinschaft wird diese mit dem Tod automatisch in eine Bruchteilsgemeinschaft umgewandelt, so dass dem überlebenden Ehegatten und dem Nachlass jeweils ein hälftiger Anteil am gemeinschaftlichen Vermögen der Ehegatten zufällt. Zum gemeinschaftliche Vermögen gehören die jeweiligen Arbeitslöhne, Einkommen aus anderer erwerbsmäßiger Tätigkeit jedes Ehegatten, die Erträge aus dem gemeinschaftlichen Vermögen, wie Zinsen sowie Ansprüchen aus den arbeitsrechtlichen Pensionsfonds.

3. Testamente/letztwillige Verfügungen:

  1. Form der Testamentserrichtung
    Nach polnischem Recht sind gewöhnliche Testamente (eigenhändiges Testament, notarielles Testament, allographes Testament) und besondere Testamente (Nottestament, Nottestament auf Reisen, Militärtestament) zulässig.

    Nach der EU-Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) sind Testamente immer dann formgültig, wenn sie in ihrem Errichtungsstaat formgültig sind, nach dem Heimatrecht des Erblassers, an seinem Wohnsitz oder seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort, oder am Belegenheitsort unbeweglichen Vermögens, sofern sich das Testament auf dieses bezieht (Art. 27 EU-ErbVO). Zulässigkeit und die materielle Wirksamkeit eines Testaments bestimmen sich dagegen nach dem Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments (hypothetisches Erbstatut; Art. 24 EU-ErbVO).
  2. Hinterlegung
    Ein staatliches oder öffentliches Testamentsregister gibt es in Polen im Gegensatz zu Deutschland nicht.
  3. Gemeinschaftliches Testament / Erbvertrag
    Gemeinschaftliche Testamente von Eheleuten sind in Polen – anders als in Deutschland – unzulässig.

    Expertentipp:
    Zwar wird die Anerkennung eines nach deutschem Recht formwirksam errichteten gemeinschaftlichen Testamentes in Polen in der Literatur und in deutscher Rechtsprechung zum polnischen Recht überwiegend bejaht, jedoch empfehlen wir für die Regelung der Erbfolge durch Ehegatten bei Auslandsbezug zu Polen die Errichtung von zwei Einzeltestamenten.

    Erbverträge sind in Polen ebenfalls unzulässig, mit Ausnahme des Erbverzichts (Art. 1048 ff. ZGB).

    Ebenfalls unzulässig ist die Anordnung der Vor- und Nacherbfolge (Art. 962 ZGB, Art. 954 ZGB). Es kommt jedoch die Umdeutung in eine Ersatzerbeneinsetzung in Betracht.

4. Pflichtteil

Pflichtteilsberechtigt sind nur die Kinder bzw. deren Abkömmlinge, der Ehegatte sowie die Eltern des Erblassers/der Erblasserin, die entweder durch Testament von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen wurden oder nicht anderweitig vom Erblasser beschenkt worden sind.

Genau wie im deutschen Recht ist der Pflichtteil ein Anspruch auf Zahlung gegen den Erben/die Erben.

Der Pflichtteil beträgt grundsätzlich ½ des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Ist der Pflichtteilsberechtigte jedoch dauernd arbeitsunfähig oder handelt es sich bei dem Pflichtteilsberechtigten um einen minderjähriger Abkömmling des Erblassers/der Erblasserin, so beträgt der Pflichtteil 2/3 des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Zusätzlich steht dem Pflichtteilsberechtigten ein Anspruch auf Ergänzung seines Pflichtteils zu, wenn er den ihm zustehenden Pflichtteil vom Erben oder von der Person, zugunsten derer ein Vindikationsvermächtnis angeordnet wurde, nicht erlangen kann.

5. Pflichtteilsentziehung

Anders als in Deutschland kann der Erblasser/die Erblasserin in Polen den Pflichtteil in einem Testament entziehen. Das Gesetz spricht hier von einer „Enterbung“ (wydziedziczenie, Art. 1008 ZGB). Achtung! Der polnische Enterbungsbegriff ist nicht identisch mit der Enterbung nach deutschem Recht.

→ zum Pflichtteil in Deutschland (Link auf die Seite)

Die Pflichtteilsentziehung (Enterbung) ist nur zulässig, wenn mindestens einer der folgenden Gründe vorliegen:

  • wenn der Pflichtteilsberechtigte entgegen dem Willen des Erblassers/der Erblasserin hartnäckig in einer den Grundsätzen des gesellschaftlichen Zusammenlebens widersprechenden Weise handelt oder
  • wenn der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser/der Erblasserin oder einem seiner/ihrer nächsten Angehörigen gegenüber eine vorsätzliche Straftat gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit begangen oder seine Ehre grob verletzt hat oder
  • wenn der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser gegenüber seine familienrechtlichen Verpflichtungen hartnäckig nicht erfüllt.

Der Grund für die Pflichtteilsentziehung (Enterbung)  muss sich außerdem aus dem Inhalt des Testaments ergeben. Der Erblasser/die Erblasserin kann einen Pflichtteilsberechtigten nicht enterben, wenn er/sie ihm verziehen hat (Art. 1010 § 1 ZGB). Die Pflichtteilsentziehung wirkt nicht zulasten der Abkömmlinge des Pflichtteilsberechtigten.

Im polnischen Recht verjähren die Pflichtteilsansprüche nach Ablauf von fünf Jahren seit der Veröffentlichung des Testaments (Art. 1007 § 1 ZGB).

Die Frage, ob ein Pflichtteilsanspruch nach polnischem oder nach deutschem Recht besteht, richtet sich danach, welches Erbrecht auf den konkreten Erbfall Anwendung findet. In Deutschland und Polen also danach, wo der Erblasser/die Erblasserin seinen/ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art. 21 EU-ErbVO). Davon kann durch Testament nur zu Gunsten des sog. Heimatrechts abgewichen werden, indem der oder die Testierende die Anwendung des Rechts desjenigen Landes wählt, dessen Staatsangehörigkeit er oder sie besitzt.

6. Vermächtnis

Nach polnischem Recht können testamentarisch auch Vermächtnisse und Auflagen (Art. 982 ZGB) angeordnet werden.  Das polnische Recht kennt zwei Vermächtnisarten, das einfache Vermächtnis und das Vindikationsvermächtnis:

  1. Das einfache Vermächtnis (Damnationslegat, zapis zwykły) (Art. 968 ZGB) entspricht dem deutschen Vermächtnis. Dabei erwirbt der Berechtigte das Eigentum nicht unmittelbar vom Erblasser (wie beim Vindikationslegat), sondern der Erbe muss erst durch Vermächtniserfüllungsvertrag Eigentum auf ihn übertragen.
  2. Bei dem Vindikationsvermächtnis (Vindikationslegat, zapis windykacyjny) (Art. 981 § 1 ZGB) erwirbt der Berechtigte unmittelbar Eigentum vom Erblasser. Der Erbe muss nicht erst durch Vermächtniserfüllungsvertrag Eigentum auf ihn übertragen.

Achtung! Das Vindikationsvermächtnis kann nur in einem notariellen Testament angeordnet werden. Darüber hinaus kann es sich nur auf bestimmte Gegenstände beziehen: unvertretbare Sachen, übertragbare Vermögensrechte, Unternehmen und landwirtschaftliche Betriebe sowie die Bestellung eines Nießbrauchs oder einer Dienstbarkeit.

Polnisches Erbrecht: Nachlassverfahren

Das polnische Erbrecht kennt – wie das deutsche Recht – den Vonselbsterwerb: Der Nachlass geht unmittelbar mit dem Tod des Erblassers/der Erblasserin auf den oder die Erben über (Art. 925 ZGB).  Der Erbe hat die Möglichkeit, innerhalb von sechs Monaten, nachdem er von dem Grunde seiner Berufung als Erbe Kenntnis erlangt hat, gegenüber dem zuständigen Nachlassgericht in Polen oder einem polnischen Notar zu erklären, ob er die Erbschaft – ohne Beschränkung seiner Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten oder unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung-  annehmen oder ausschlagen will  (Art. 1012 ZGB). Wird die Erklärung über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft nicht innerhalb der sechsmonatigen Frist gemäß abgegeben, so wird Annahme unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung fingiert (Art. 1015 § 2 ZGB).

→ zum europäischen Nachlasszeugnis (Link)

Polnisches Erbrecht: Erbschaftsteuer

Die EU-ErbVO hat keine Auswirkung auf die Besteuerung der Erbfolge, diese richtet sich nach wie vor nach dem jeweiligen nationalen Steuerrecht. Das bedeutet, dass derselbe Erbfall sowohl in Deutschland als auch in Polen Steuern auslösen kann. Ein Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich Erbschaftsteuer gibt es zwischen Polen und Deutschland nicht, die Anrechenbarkeit richtet sich nach nationalem Recht.

Die Besteuerung von Erbschaften richtet sich in Polen nach dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) vom 28.7.1983. Dieses regelt bestimmte Freibeträge und Vergünstigungen u.a. für land- und forstwirtschaftliches und sonstiges Betriebsvermögen.

Ab dem 1. Januar 2007 sind Erbschaften innerhalb der engeren Familie von der Erbschaftsteuer befreit, vorausgesetzt der Erwerb wird innerhalb von einem Monat ab Inkrafttreten des Erbscheins oder Notar-Erbscheins vom Betroffenen dem Finanzamtsleiter gemeldet (diese Befreiung gilt nicht für folgende Personen: Schwiegersohn, Schwiegertochter, Schwiegermutter und Schwiegervater).

Näheres zur deutschen Erbschafts- und Schenkungsteuer finden Sie hier.

Polnisches Erbrecht: Besonderheit bei der Vererbung von Immobilien von und an Ausländer

Eine besondere Beschränkung im polnischen Immobilienverkehr galt bis zum EU-Beitritt der Republik Polen (1.5.2004)  für Ausländer. Gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes vom 24.03.1920 benötigte ein Ausländer zum Erwerb von bestimmten Immobilien eine Genehmigung des Ministers für Innere.

Nach dem EU-Beitritt wurde das Gesetz über den Erwerb von Immobilien durch Ausländer wesentlich novelliert, was von großer Bedeutung auch für den Erwerb der in Polen gelegenen Immobilien durch Erbschaft deutscher Staatsangehöriger ist. Gemäß Art. 8 Abs. 2 des vorstehenden Gesetzes bedürfen Ausländer, die Staatsangehörige oder Unternehmer des Europäischen Wirtschaftsraumes sind, grundsätzlich keiner Genehmigung mehr (Ausnahmen: Erwerb von landwirtschaftlichen und Forstgrundstücken, des zweiten Hauses).

Literatur zum polnischen Erbrecht (Süß, Erbrecht in Europa, 4. Auflage 2020,Polen; beck-online).