20.08.2009

Pflichtteilsrecht wird teilweise reformiert

Am 2. Juli 2009 hat der Bundestag die lang angekündigte Reform des Pflichtteils- und Verjährungsrechts beschlossen. Die Novelle, die insbesondere den gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte Rechnung tragen soll, wird zum 01.01.2010 in Kraft treten. Den Gesetzestext finden sie hier, die Pressemitteilung des Bundesministeriums für Justiz vom 2. Juli 2009 finden sie hier.

Das Pflichtteilsrecht lässt Ehegatten, Abkömmlinge, Eltern und Lebenspartner des Verstorbenen auch dann am Nachlass teilhaben, wenn sie der Erblasser durch Testament oder Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen hat. Der Pflichtteil umfasst die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Die Höhe des Pflichtteils bleibt durch die Neuregelung unberührt. Vielmehr soll die Pflichtteilsreform der Stärkung der Testierfreiheit jedes Einzelnen über die Verteilung seines Vermögens nach seinen Vorstellungen dienen, wobei innerfamiliäre Verantwortungen dennoch erhalten bleiben sollen. Die Regelungen im Einzelnen:

1. Gleitende Ausschlussfrist für den Pflichtteilsergänzungsanspruch

Um einen späteren Anspruch des Pflichtteilsberechtigten zu verringern, verschenkt der Erblasser oft schon zu Lebzeiten Teile seines Vermögens an andere Personen. Schenkungen des Erblassers zu dessen Lebzeiten können aber zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen gegen den Erblasser oder den Beschenkten führen. Der Pflichtteilsberechtigte wird dann so gestellt, als ob die Schenkung nicht erfolgt und damit das Vermögen des Erblassers durch die Schenkung nicht verringert worden wäre. Bisher bliebt die Schenkung erst unberücksichtigt, wenn sie mehr als zehn Jahre zurückliegt.

Künftig gilt: Je länger die Schenkung zurück liegt, umso weniger soll sie für die Pflichtteilsberechnung von Bedeutung sein, der Ergänzungsanspruch soll also graduell immer weniger Berücksichtigung finden. Lag eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall vor, so wird sie voll in die Berechnung des Erbes einbezogen, im zweiten Jahr nur noch zu 9/10 und in jedem weiteren Jahr um jeweils ein Zehntel weniger. Damit wird dem Erben als auch dem Beschenkten mehr Planungssicherheit eingeräumt (§ 2325 Abs. 3 BGB n.F.).

Anders als im ursprünglichen Entwurf vorgesehen, wird es nun allerdings doch nicht möglich sein, nachträglich anzuordnen, dass sich ein Beschenkter  frühere Zuwendungen auf den Pflichtteil anrechnen lassen und sie gegenüber Miterben ausgleichen muss (§§ 2050 Abs. 4, 2315 Abs.1 BGB).

2. Bessere Honorierung von Pflegeleistungen beim Erbausgleich

Fast zwei Drittel aller Pflegebedürftigen werden zu Hause versorgt, wobei über finanzielle Aspekte zumeist nicht gesprochen wird. Ist ein Ausgleich hierfür im Testament des Erblassers nicht geregelt, kann dies zu einer Benachteiligung der Pflegenden führen, wenn die anderen Geschwister, die weder Zeit noch Aufwand für die Pflege des Verstorbenen erbracht haben, dennoch zu gleichen Teilen erben. Bislang gab es erbrechtliche Ausgleichsansprüche nur für Abkömmlinge und nur, wenn sie den Erblasser unter Verzicht auf berufliches Einkommen über längere Zeit gepflegt haben.

Künftig sollen Berufstätige, die eine Doppelbelastung auf sich genommen haben und auch Arbeitslose denen gleichgestellt werden, die auf ihr berufliches Einkommen verzichtet haben. Ausgleichberechtigt sind künftig alle gesetzlichen Erben, nach wie vor aber nicht sonstige Dritte (z.B. pflegende Schwiegerkinder) (§ 2057 b BGB).

3. Modernisierung der Pflichtteilsentziehungsgründe

Zwar steht es dem Erblasser grundsätzlich frei, seinen Erben zu bestimmen, ein gänzlicher Ausschluss der Pflichtteilsberechtigten am Wert des Nachlasses ist jedoch nur in besonderen Ausnahmefällen möglich und soll künftig leichter werden.

  • Trachtet ein Pflichtteilsberechtigter einer dem Erblasser nahe stehenden Personen wie z.B. Stief- und Pflegekindern nach dem Leben, oder misshandelt sie körperlich schwer, liegt ein Grund zur Pflichtteilsentziehung vor. Bis dato ist dies nur möglich, wenn ein solches Verhalten gegenüber dem Erblasser, seinem Ehegatten, Lebenspartner oder seinen Kindern, also einem viel engeren Personenkreis vorliegt. (§2333 Abs. 1 BGB)
  • Die Möglichkeit einer Pflichtteilsentziehung wegen „ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels“ soll entfallen. Dies hat sich als zu unbestimmt erwiesen und rechtfertigte bislang nur die Entziehung des Pflichtteils der Abkömmlinge, nicht aber die des Eltern- oder Ehegattenpflichtteils.
  • Künftig reicht es dagegen zur Entziehung des Pflichtteils – auch dem des Ehegattens oder der Eltern – aus, wenn eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung vorliegt. Zudem muss es dem Erblasser unzumutbar sein, dem Verurteilten seinen Pflichtteil zu belassen. Gleiches gilt dann bei Straftaten, die im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen wurden (§ 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB).

4. Erweiterung der Stundungsgründe für den Pflichtteil

Wer ein Haus oder Unternehmen erbt, sieht sich oftmals der Tatsache gegenüber, dieses Vermögen veräußern zu müssen, um weiteren Erben den Pflichtteil auszahlen zu können. Dies widerspricht aber häufig dem Willen des Erblassers, der dem Erben ein eigenes Heim verschaffen oder das Weiterbestehen seines Unternehmens sichern wollte. Die jetzt schon für pflichtteilsberechtigte Erben geltende Stundungsregelung wird künftig für jeden Erben durchsetzbar sein, also z.B. auch für den Neffen des Erblassers gegenüber den pflichtteilsberechtigten Kindern, wenn die Erfüllung des Pflichtteils eine “unbillige Härte“ darstellen würde.

5. Abkürzung der Verjährung von familien- und erbrechtlichen Ansprüchen

Auch das Verjährungsrecht bedurfte einer Abänderung. Mit der Neuregelung wird die Verjährung von familien- und erbrechtlichen Ansprüchen an die allgemeinen Verjährungsvorschriften angepasst. Sie beträgt damit künftig drei Jahre zum Ende des Kalenderjahres. Lediglich bei den Ansprüchen auf Herausgabe der Erbschaft gegen den Erbschaftsbesitzer und den Vorerben (§§ 2018, 2130 BGB), sowie auf Herausgabe eines unrichtigen Erbscheins an das Nachlassgericht (§ 2362 BGB) bleibt es bei der 30-jährigen Verjährung (§ 197 Abs. 1 Nr. 1)