Erbrecht in Italien

Italienisches internationales Erbrecht und Erbrecht in deutsch-italienischen Erbfällen

Erbstatut: Welches Recht findet in deutsch-italienischen Erbfällen Anwendung:

Stirbt ein italienischer Staatsbürger in Deutschland oder ein deutscher Staatsbürger in Italien stellt sich zunächst die Frage, welches nationale Erbrecht Anwendung findet. Seit dem 17.8.2015 wird diese Frage für alle EU-Mitgliedstaaten (mit Ausnahme von Irland, Dänemark und dem Vereinigten Königreich) einheitlich durch die EU-Erbrechtsverordnung geregelt. Auf alle Erbfälle seit dem 17.8.2015 in Italien und Deutschland ist danach das Erbrecht desjenigen Staates anzuwenden, in dem der Erblasser bei seinem Tod seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies ist in der Regel der letzte Wohnsitz, muss im Einzelfall jedoch anhand der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung geprüft werden. Auf die (offizielle) Meldeadresse kommt es nicht an. In jedem Fall steht es dem Erblasser nach der EU-Erbrechtsverordnung offen, durch letztwillige Verfügung (z.B. in einem Testament) sein Heimatrecht zu wählen, sprich das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Die Italienerin kann also italienisches Erbrecht wählen und der Deutsche das deutsche Erbrecht.

Sollten Sie in einem Land leben das nicht Ihrer Staatsangehörigkeit entspricht oder darüber nachdenken in ein anderes Land zu ziehen, ist es daher dringend anzuraten, sich über die erbrechtlichen Folgen eines solchen Umzugs Gedanken zu machen und ggfs. ein hierauf abgestimmtes Testament  zu erstellen. Dafür ist es wichtig sich Klarheit zu verschaffen, welche Unterschiede die jeweiligen Rechtsordnungen aufweisen. Wir beraten Sie gerne: +49 30 440 330 12.
  • Näheres zur EU-Erbrechtsverordnung finden Sie hier.
  • Näheres zum Erbstatut aus deutscher Sicht für Erbfälle bis 16.08.2015 finden Sie hier.
  • Falls in Ihrem deutsch-italienischen Erbfall deutsches Recht zur Anwendung kommt, finden Sie das Wichtigste zum deutschen Erbrecht unter Erbrecht – kurz gefasst
  • oder ausführlicher zu einzelnen Stichpunkten im Erbrechts-ABC.

Erbstatut für Erbfälle, die vor dem 17.08.2015 eingetreten sind:

Ebenso wie das deutsche internationale Erbrecht knüpfte ursprünglich auch das italienische internationale Erbrecht an die Staatsangehörigkeit des Erblassers an (Art. 46 Abs. 1 des italienischen Reformgesetzes zum IPR von 1995 (ReformG)). War der Erblasser Deutscher, so richtete sich die Erbfolge also nach deutschem Erbrecht, war er Italiener, nach italienischem Recht. Auf den letzten Wohnsitz und die Lage des Vermögens kam es dagegen grundsätzlich nicht an.

Eine Ausnahme galt für Immobilien in Italien, wenn der Erblasser Deutscher ist: Zwar richtete sich die Erbfolge selbst auch in diesem Fall nach deutschem Recht, der Vollzug des Eigentumsübergangs jedoch nach italienischem Recht. Juristisch gesprochen: Für den Modus des Eigentumsübergangs – den Vollzug – galt trotz der grundsätzlichen Anwendbarkeit deutschen Erbrechts das „lex rei sitae“, das Recht des Belegenheitsortes. Vererbte daher ein Deutscher seine Ferienimmobilie in Italien, richtete sich die Erbfolge nach deutschem Recht. Nach deutschem Recht wird der Erbe mit dem Erbfall automatisch Eigentümer, das Grundbuch muss nur berichtigt werden. Nach italienischem Recht muss der Erbe das Erbe hingegen erst förmlich annehmen, bevor er Eigentümer wird. Da diese Erbschaftsannahme zum Modus – zum Erbschaftsvollzug – gerechnet wurde, musste eine Erbschaftsannahme nach italienischem Recht erfolgen.

Daneben bestand auch früher in deutsch-italienischen Rechtsverhältnissen bereits die Möglichkeit, das anwendbare Recht durch Testament zu bestimmen (sog. Rechtswahl). Die Rechtswahl war aber nur wirksam, wenn der Erblasser in dem Land, dessen Recht er gewählt hat, zum Zeitpunkt der Rechtswahl und zum Todeszeitpunkt auch tatsächlich wohnte (Art 46. Abs 2 ReformG). Beispiel: Ein in Deutschland lebender Italiener kann durch Testament bestimmen, dass auf die Regelung seiner Rechtsnachfolge deutsches Recht zur Anwendung kommt. Zu beachten ist bei der Rechtswahl allerdings, dass der Pflichtteil nach italienischem Recht von Angehörigen, die zum Todeszeitpunkt in Italien wohnen, nicht „abgewählt“ werden kann, sondern auch bei einer wirksamen Rechtswahl Bestand hat (Art. 46 Abs. 2 S. 3 ReformG). Im Beispiel hätte dies zur Folge, dass die in Italien lebende Tochter des Erblassers vor einem italienischen Gericht ihren Pflichtteil nach italienischem Recht verlangen könnte, auch wenn der Erblasser deutsches Erbrecht gewählt hat.

Materielles Erbrecht:

Testamente/letztwillige Verfügung: Nach der EU-Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) sind Testamente immer dann formgültig, wenn sie in ihrem Errichtungsstaat formgültig sind, nach dem Heimatrecht des Erblassers, an seinem Wohnsitz oder seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort, oder am Belegenheitsort unbeweglichen Vermögens, sofern sich das Testament auf dieses bezieht (Art. 27 EU-ErbVO). Zulässigkeit und die materielle Wirksamkeit eines Testaments bestimmen sich dagegen nach dem Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments (hypothetisches Erbstatut; Art. 24 EU-ErbVO)).

Nach italienischem Recht sind nur Einzeltestamente zulässig; die nach deutschem Recht zulässigen gemeinschaftlichen (Ehegatten-) Testamente (z.B. das „Berliner Testament „) und Erbverträge gibt es in Italien nicht, auch die Vor- und Nacherbfolge kennt das italienische Recht nicht. Zu Problemen kann dies führen, wenn zwar deutsches Recht Anwendung findet (z.B. weil der Erblasser Deutscher ist), eine Nachlassabwicklung jedoch in Italien notwendig ist. In diesem Fall könnte fraglich sein, ob die italienischen Behörden die Wirksamkeit des Testaments akzeptieren (Eine der Tücken des internationalen Rechtsverkehrs, der sog. „ordre public“: Dieser besagt, dass jeder Staat sich vorbehält zu prüfen, ob er eine Rechtsfolge, die das (anwendbare) ausländische Recht vorsieht, auch tatsächlich akzeptiert und ggf. umsetzt. Der betreffende Staat verweigert die Umsetzung, wenn er hierin einen Verstoß gegen fundamentale Grundsätze des eigenen Rechts – der sog. Ordre Public – sieht.) Nach herrschender Lehre akzeptiert das italienische Recht zwar auch diese Gestaltungsformen; allerdings ist diese Auffassung nicht unumstritten, so dass Vorsicht geboten ist. Gegebenenfalls kann/muss man daher bei Immobilien in Italien ein (vorsorgliches) Einzeltestament neben einem gemeinsamen Testament verfassen.

Die EU- Erbrechtsverordnung bestimmt, dass Erbverträge am gewöhnlichen Aufenthaltsort aller Vertragspartner im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zulässig sein müssen (Art. 25 EU-ErbVO). Ob und in welchem Umfang das auch für gemeinschaftliche Testamente gilt, ist bislang umstritten.

Die gesetzliche Erbfolge der Verwandten – nicht die des Ehegatten – ist ähnlich der deutschen gesetzlichen Erbfolge geregelt. Erben erster Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers (also leibliche Kinder und Kindeskinder), Erben zweiter Ordnung sind die Eltern (gegebenenfalls Voreltern) und Geschwister des Erblassers sowie deren Abkömmlinge, Erben dritter Ordnung sind die Verwandten bis zum sechsten Grad. Personen vorangegangener Ordnungen schließen Personen nachrangiger Ordnungen von der Erbfolge aus, Verwandte eines näheren Grades schließen fernere aus. Sind Kinder vorhanden, so erben diese – ggf. den neben dem Ehegatten verbleibenden Rest (s.u.) – allein und zu gleichen Teilen. Ist ein Kind vorverstorben, treten an seine Stelle dessen Abkömmlinge. Sind keine Abkömmlinge vorhanden, erben die Eltern und (anders als im deutschen Recht!) in jedem Fall auch die Geschwister, gegebenenfalls neben dem Ehegatten.

Das gesetzliche Erbrecht der Erben zweiter Ordnung – die überhaupt nur erben, wenn keine Erben 1.Ordnung (Abkömmlinge) vorhanden sind – beträgt:

  • Beim unverheirateten Erblasser alle Eltern und Geschwister zu gleichen Teilen, die Eltern aber mindestens ½.
  • Beim verheirateten Erblasser erben die Eltern 1/3, wenn keine Geschwister vorhanden sind, ¼ wenn Geschwister vorhanden sind; Diese erben dann gemeinsam das verbleibende 1/12, also: Ehegatte 2/3 = 8/12, Eltern 1/4 =3/12; Geschwister 1/12.

Der Ehegatte ist gesetzlicher Erbe :

  • zu ½ neben einem Kind (bzw. dessen Abkömmling(en))
  • zu 1/3 neben mehreren Kindern (bzw. deren Abkömmling(en))
  • zu 2/3, wenn keine Kinder (bzw. sonstige Abkömmlinge) vorhanden sind, aber Eltern (ggf. Voreltern) oder Geschwister (bzw. deren Abkömmlinge) vorhanden sind
  • alleine, wenn weder Abkömmlinge, Voreltern oder Geschwister vorhanden sind.

Pflichtteil: Anders als in Deutschland besteht der Pflichtteil nach italienischem Recht nicht in einem schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben, sondern die Pflichtteilsberechtigten erwerben ein sog. Noterbrecht („quota di riserva“), mit dem sie unmittelbar in Höhe ihrer Pflichtteilsquote am Nachlass beteiligt werden. Hat der Erblasser in seinem Testament die „Quota di riserva“ – den Pflichtteil – nicht beachtet, kann bzw. muss der Pflichtteilsberechtigte seine Beteiligung am Nachlass durch die sogenannte Herabsetzungsklage geltend machen. Das Pflichtteilsrecht wirkt sich grundsätzlich auch auf lebzeitige Schenkungen aus.

Pflichtteilsberechtigt sind der Ehegatte und die Kinder des Erblassers, sind keine Abkömmlinge vorhanden auch die Eltern (bzw. falls diese vorverstorben sind ggf. Großeltern, Urgroßeltern, etc.). Sind Kinder vor dem Erblasser verstorben, treten deren Kinder (ggf. auch Enkel) an dessen Stelle und erhalten einen entsprechenden Pflichtteil.

Bei Berechnung des Pflichtteils werden zum vorhandenen Nachlass sämtliche Schenkungen (ohne die z.B. in Deutschland geltende zeitliche Begrenzung!) des Erblassers addiert und dieser Wert mit der jeweiligen Pflichtteilsquote multipliziert. Hat der Pflichtteilsberechtigte selbst ein Geschenk erhalten, muss er sich dies auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen.

Die Pflichtteilsquoten bei verheiratetem Erblasser betragen

  • ½ für den Ehegatten, ¼ für die Eltern, wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind;
  • jeweils 1/3 für den Ehegatten und das Kind, wenn ein Kind vorhanden ist;
  • ¼ für den Ehegatten und insgesamt ½ für die Kinder, wenn mehrere Kinder vorhanden sind, wobei diesen die Hälfte zu gleichen Teilen zusteht.

Daneben steht dem überlebenden Ehegatten stets ein Wohnrecht an der Familienwohnung (sofern sie denn im (Mit-)Eigentum des Erblassers stand) und ein Nutzungsrecht am Hausrat zu. Ist der Erblasser nicht verheiratet betragen die Pflichtteilsquoten

  • 1/3 für die Eltern, wenn keine Kinder (ggf. auch Kindeskinder) vorhanden sind
  • ½ für das Kind, wenn nur ein Kind vorhanden ist
  • 2/3 für die Kinder, wenn mehrere vorhanden sind, wobei diesen der Anteil wiederum zu gleichen Teilen zusteht.

Erbschaftssteuer:

Nachdem die Erbschaftssteuer erst 2001 in Italien abgeschafft worden war – es gab allerdings nicht unerhebliche Katastergebühren – hat die Regierung Prodi die Erbschaftssteuer zum 03.10.2006 wieder eingeführt. Verwandte in gerader Linie und Ehegatten zahlen 4 % Erbschaftssteuer, wobei ein Freibetrag von 1 Mio ` pro Bedachten besteht. Zusätzlich ist bei Immobilien die Hypothekar- und die Katastersteuer ( 2 % bzw. 1 % des Katasterwertes der Immobilie) zu bezahlen, die auf 168 ` beschränkt sind, wenn es sich bei der Immobilie um den Erstwohnsitz („prima casa“)des Bedachten handelt.
Entferntere Verwandte und Verschwägerte bezahlen 6 % Erbschaftssteuer, sonstige Erben 8 %, jeweils ohne Freibeträge.

Ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht nicht. Da die italienische Erbschaft- und Schenkungssteuer als der deutschen vergleichbar angesehen wird, kann sie unter den Voraussetzungen des § 21 Erbschaftssteuergesetz auf eine in Deutschland zu zahlende Steuer anrechenbar sein.

Literatur zum italienischen Erbrecht:

Reiß: Das Pflichtteilsrecht nach italienischem Recht, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge (ZEV) 2005, Seite 148; Reiß : Zusammenwirken von Güterrechtsstatut und Erbstatut bei Beendigung von deutsch-italienischen Ehen durch Tod eines Ehegatten; Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis (Zerb) 2005, Seite 306; Cubbedu Wiedemann/Wiedemann : Erbrecht in Italien, in: Süß/Haas Erbrecht in Europa, Angelbachtal 2004; Ferid u.a . Internationales Erbrecht, Ordner IV Italien 1995)

Reiß, Die Weidereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer in Italien – Auswirkungen auf den Erwerb von Immobilien, Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis (Zerb) 2007, Seite 143 ff.

Kneissler-DAll´Acqua, Erbschafts- und Schenkungsteuer in Italien – Stand Oktober 2012, Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis (Zerb) 2013, Seite 7)