Nachlassgericht

Wofür ist das Nachlassgericht vor und nach dem Erbfall zuständig, wofür nicht?

Das Nachlassgericht ist eine Abteilung beim Amtsgericht, die für die Erteilung eines Erbscheins, die Eröffnung von Testamenten und anderen Verfügungen von Todes wegen, deren amtlicher Verwahrung, die Entgegennahme von Ausschlagungen und sonstige Verfahren zuständig ist, die mit dem (künftigen) Nachlass einer Person zu tun haben.

Anders als in anderen Ländern (z.B. Polen) ermittelt das Nachlassgericht aber nicht von sich aus den Wert der Erbschaft oder kümmert sich aktiv darum, wer Erbe geworden ist. Hierzu müssen die Erben und andere Personen, die daran ein Interesse haben, selbst tätig werden und sich ggf. zivilrechtlich auseinandersetzen.

Örtlich ist in Nachlassangelegenheiten nach § 343 FamFG das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser zur Zeit des Erbfalls seinen Wohnsitz hatte oder sich aufhielt. War der Erblasser Deutscher und hatte er zur Zeit des Erbfalls weder Wohnsitz noch Aufenthalt in Deutschland, ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin zuständig (siehe auch internationales Erbrecht). Eine besondere örtliche Zuständigkeit regelt § 344 Abs. 7 FamFG. Danach kann ein Erbe die Ausschlagung des Erbes auch dort erklären, wo er seinen Wohnsitz hat.

In einem typischen und einfach gelagerten Erbfall tut das Nachlassgericht Folgendes:

Beispiel: Der einzige Sohn der im Alter von 80 Jahren verwitwet verstorbenen Erblasserin vermutet, dass es ein Testament gab, wonach seine eigene Tochter, die sich bis zuletzt um die pflegebedürftige Mutter gekümmert hat, Erbin sein soll. Er möchte den Inhalt des Testaments und den Zeitpunkt der Errichtung erfahren, da die Verstorbene in den letzten Jahren vor ihrem Tod geistig abgebaut hat und er nicht weiß, ob er ebenfalls bedacht wurde und welcher Pflichtteil ihm zusteht. Er schreibt deshalb an das Nachlassgericht, schildert die näheren Umstände und bittet um Auskunft. Das Gericht hat noch keine Kenntnis von dem Erbfall.

Das Nachlassgericht wird nun zunächst die Tochter anschreiben und sie auffordern, eine Sterbeurkunde und das Testament beim Nachlassgericht abzuliefern; dazu ist die Tochter gem. § 2259 BGB auch verpflichtet. Kommt sie dem nach, eröffnet das Gericht anschließend das Testament durch Aufbringen eines stempelartigen Vermerks, was aus praktischen Gründen regelmäßig ohne vorherige Ladung und in Abwesenheit der Beteiligten erfolgt. Dem Sohn als gesetzlichem Erben wird eine Kopie des eröffneten Testaments durch das Nachlassgericht bekannt gegeben.

Einen Erbschein erteilt das Nachlassgericht erst auf Antrag. Stellt sich im vorliegenden Fall heraus, dass es neben einem handschriftlichen auch ein gleichlautendes notarielles Testament zu Gunsten der Enkelin gab, das durch den Notar in die amtliche Verwahrung durch das Gericht gebracht wurde, kann dieses unter Umständen den Erbschein ersetzen und ein Antrag ist nicht geboten.

Beantragt die Enkelin der Erblasserin dennoch einen Erbschein, etwa weil das notarielle Testament an vielen Stellen unklar ist und sich die Banken weigern, ein Konto aufzulösen, kann ihr Vater als übergangener gesetzlicher Erbe dem widersprechen (mit einfachem Brief oder dem ihm zugesandten Anhörungsbogen). Er erhält dazu auf Antrag Einsicht in die beim Nachlassgericht geführten Akten, um seinen Widerspruch begründen zu können.

Im Erbscheinsverfahren erhebt das Nachlassgericht Beweise von Amts wegen und ist verpflichtet, den wahren Sachverhalt selbst zu ermitteln (§ 2358 BGB). In der Praxis spielt aber dennoch eine entscheidende Rolle, in welche Richtung die Beteiligten das Verfahren lenken. Das Gericht kann aber z.B. von sich aus ein psychiatrisches Gutachten einholen, um die Testierfährigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments beurteilen zu können. Das Gericht entscheidet dann nach freiem Ermessen, ob es dem Erbscheinsantrag stattgibt, oder ob es ihn ablehnt, weil es von der Demenz der Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung überzeugt ist.

Enthalten die Nachlassakten Angaben zum Wert des Nachlasses, z.B. weil das Gericht diese zur Berechnung seiner Gebühren verlangt hat, entfaltet dies keine Bindungswirkung im Verhältnis zu dem pflichtteilsberechtigten Sohn der Erblasserin. Der Sohn der Erblasserin muss – wofür er die Angaben in den Nachlassakten aber verwerten darf – den Wert des Nachlasses selbst ermitteln und ggf. Auskunftsansprüche geltend machen, um sein Erbe anzutreten oder – wenn nur seinen Tochter Erbin geworden ist – seinen Pflichtteil geltend machen zu können.

Näheres zum Erbprozess und Nachlassverfahren finden Sie hier.