Erbrecht in Portugal

und deutsch-portugiesisches internationales Erbrecht

Hinweis: Rechtsanwältin Nele Kliemt berät sie zum portugiesischen Erbrecht auch in portugiesischer Sprache

Erbstatut: Welches Recht findet in deutsch-portugiesischen Erbfällen Anwendung:

Stirbt ein portugiesischer Staatsbürger in Deutschland oder ein deutscher Staatsbürger in Portugal stellt sich zunächst die Frage, welches nationale Erbrecht Anwendung findet. Seit dem 17.8.2015 wird diese Frage für alle EU-Mitgliedstaaten (mit Ausnahme von Irland, Dänemark und dem Vereinigten Königreich) einheitlich durch die EU-Erbrechtsverordnung geregelt. Auf alle Erbfälle seit dem 17.8.2015 in Portugal und Deutschland ist danach das Erbrecht desjenigen Staates anzuwenden, in dem der Erblasser bei seinem Tod seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies ist in der Regel der letzte Wohnsitz, muss im Einzelfall jedoch anhand der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung geprüft werden. Auf die (offizielle) Meldeadresse kommt es nicht an. In jedem Fall steht es dem Erblasser nach der EU-Erbrechtsverordnung offen, durch letztwillige Verfügung (z.B. in einem Testament) sein Heimatrecht zu wählen, sprich das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Die Portugiesin kann also portugiesisches Erbrecht wählen und der Deutsche das deutsche Erbrecht.

Sollten Sie in einem Land leben das nicht Ihrer Staatsangehörigkeit entspricht oder darüber nachdenken in ein anderes Land zu ziehen, ist es daher dringend anzuraten, sich über die erbrechtlichen Folgen eines solchen Umzugs Gedanken zu machen und ggfs. ein hierauf abgestimmtes Testament  zu erstellen. Dafür ist es wichtig sich Klarheit zu verschaffen, welche Unterschiede die jeweiligen Rechtsordnungen aufweisen. Wir beraten Sie gerne: +49 30 440 330 24.

  • Näheres zur EU-Erbrechtsverordnung finden Sie hier.
  • Näheres zum Erbstatut aus deutscher Sicht für Erbfälle bis 16.08.2015 finden Sie hier.
  • Falls in Ihrem deutsch-portugiesischen Erbfall deutsches Recht zur Anwendung kommt, finden Sie das Wichtigste zum deutschen Erbrecht unter Erbrecht – kurz gefasst
  • oder ausführlicher zu einzelnen Stichpunkten im Erbrechts-ABC.

Portugiesisches Erbrecht: Das materielle Erbecht in Portugal

Das portugiesische materielle Erbrecht ist im Código Civil (CC – Zivilgesetzbuch) von 1966 geregelt. Danach bestimmt sich die Erbfolge in erster Linie danach, was der Erblasser oder die Erblasserin wirksam durch letztwillige Verfügung (z.B. Testament) festgelegt haben. Dabei ist entscheidend, ob das Testament nach portugiesischem Recht wirksam errichtet wurde:

1. Testamente/letztwillige Verfügungen:

  1.  Form der Testamentserrichtung Ähnlich dem deutschen öffentlichen Testament ist das portugiesische testamento público vor einem Notar zu errichten und von diesem in einem besonderen Buch zu beurkunden.Anders als in Deutschland sind eigenhändige Testamente (testamento ológrafo), dh. vom Erblasser eigenhändig geschriebene und unterschriebene Testamente, nach portugiesischem Recht grds. nur in Form eines sog. verschlossenen Testaments wirksam (testamento cerrado). Dabei sind strenge Formvorschriften einzuhalten und das Testament muss zwingend von einem Notar bestätigt werden.
    Nach der EU-Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) sind Testamente immer dann formgültig, wenn sie in ihrem Errichtungsstaat formgültig sind, nach dem Heimatrecht des Erblassers, an seinem Wohnsitz oder seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort, oder am Belegenheitsort unbeweglichen Vermögens, sofern sich das Testament auf dieses bezieht (Art. 27 EU-ErbVO). Zulässigkeit und die materielle Wirksamkeit eines Testaments bestimmen sich dagegen nach dem Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments (hypothetisches Erbstatut; Art. 24 EU-ErbVO)).

    Das von einem Portugiesen im Ausland unter Beachtung der dortigen Gesetze errichtete Testament war auch schon vor der EU-ErbVO in Portugal wirksam, wenn die Schriftform mit notarieller Bestätigung eingehalten wurde, wie sie für das verschlossene Testament vorgesehen ist (sog. feierliche Form, „forma solene“). Diese ist auch durch Mitwirkung eines deutschen Notars gewahrt.

    Zulässig ist zudem das internationale Testament gemäß des UNIDROIT-Abkommens über eine einheitliche Form von Testamenten, von 1973 (auch Washingtoner Abkommen genannt).

  2. Gemeinschaftliches Testament / Erbvertrag Gemeinschaftliche Testamente von Eheleuten (testamento de mão comun) sind – anders als in Deutschland – nach dem portugiesischen Código Civil absolut verboten (Art. 2181 CC).Dasselbe gilt für einen Erbvertrag, der eine gegenseitige Erbeinsetzung enthält. Eine Ausnahme gilt hier lediglich bezüglich eines vor Eingehung der Ehe abgeschlossenen Ehevertrages (convenção antenupcial), der Verfügungen „auf den Tod“ zulässt. Unter Umständen ist zudem die Umdeutung eines unwirksamen Erbvertrages in ein wirksames Einzel-Testament möglich.
    Die EU- Erbrechtsverordnung bestimmt, dass Erbverträge am gewöhnlichen Aufenthaltsort aller Vertragspartner im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zulässig sein müssen (Art. 25 EU-ErbVO). Ob und in welchem Umfang das auch für gemeinschaftliche Testamente gilt, ist bislang umstritten.

2. Gesetzliche Erbfolge: Das gesetzliche Erbrecht der Verwandten

Hat der Erblasser/die Erblasserin kein Testament hinterlassen welches die Erbfolge regelt, so bestimmt sich diese nach dem Gesetz. Danach erben zunächst die Erben 1. Ordnung, dann die Erben 2. Ordnung usw.

Erben 1. Ordnung: Bei gesetzlicher Erbfolge erben zunächst die Abkömmlinge des Erblassers, also seine Kinder und Enkel, sowie der überlebende Ehegatte (o cônjuge), zu gleichen Teilen. Allerdings erbt der Ehegatte mindestens 1/4 des Nachlasses (Art. 2139 CC), was relevant wird sobald der Erblasser mehr als 3 Kinder hinterlässt. Kindeskinder erben nur anstelle ihres erbberechtigten Elternteils, falls dieses die Erbschaft ausgeschlagen hat oder im Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr lebt.

Erben 2. Ordnung: Sind weder Kinder noch Kindeskinder vorhanden erben der überlebende Ehegatte und die Eltern des Erblassers, nach diesen die Großeltern. In der 2. Ordnung erbt der Ehegatte 2/3 des Nachlasses. Sind keine Vorfahren vorhanden ist der Ehegatte Alleinerbe.

Erben 3. Ordnung sind die Geschwister des Erblassers und deren Abkömmlinge (Nichten und Neffen).

Die übrigen Verwandten bis zum vierten Grad sind Erben 4. Ordnung.

Als 5. Ordnung erbt der Staat.

3. Gesetzliche Erbfolge: Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten

Der überlebende Ehegatte erbt in der ersten Ordnung neben Abkömmlingen des Erblassers zu gleichen Teilen, jedoch mindestens 1/4 des Nachlasses. Neben Aszendenten (Vorfahren) des Erblassers erbt der Ehegatte in der zweiten Ordnung 2/3. Sind keine Vorfahren vorhanden, ist der Ehegatte Alleinerbe.

Voraussetzung ist, dass die Ehe im Zeitpunkt des Erbfalls noch bestand, also weder geschieden noch gerichtlich getrennt war. Ein anhängiges Scheidungs- oder Trennungsverfahren verhindert die Erbenstellung, wenn das Verfahren nach dem Erbfall fortgesetzt und dem Antrag stattgegeben wird.

Der Güterstand der Eheleute hat – anders als in Deutschland – keine Auswirkung auf die Erbquote. Er ist u.U. jedoch bedeutend für die Frage der Zusammensetzung des Nachlasses. Im portugiesischen Ehegüterrecht gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit: Durch (notariellen) Ehevertrag können die Eheleute ihren Güterstand grundsätzlich frei und ohne Beschränkung auf bestimmte Typen bestimmen (Art. 1698 CC). Ausnahmen gelten etwa dann, wenn ein Ehegatte bereits über 60 Jahre alt ist oder Kinder mit in die Ehe bringt.

Haben die Eheleute keinen Güterstand vertraglich vereinbart, gilt die Ehe als im Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft (regime da comunhão de adquiridos) geschlossen, Art. 1717 CC.  Die Errungenschaftsgemeinschaft ist vergleichbar mit der deutschen Zugewinngemeinschaft. Allerdings bildet das gemeinsame Vermögen der Ehegatten eine eigene Vermögensmasse (propriedade colectiva). Der Güterstand endet mit dem Tod eines Ehegatten, durch Auflösung der Ehe oder durch Feststellung der Nichtigkeit bzw. mit Anfechtung der Ehe. Folge der Beendigung des Güterstandes ist die Teilung (partilha) gem. Art. 1689 CC. Die Ehegatten bzw. ihre Erben erhalten dabei grds. das eigene Vermögen sowie die Hälfte des gemeinschaftlichen Vermögens (Art. 1730 CC).

In Eheverträge können ausnahmsweise und mit Einschränkungen auch Verfügungen von Todes wegen aufgenommen werden (Art. 1700-1706 CC).

4. Pflichtteil / Noterbrecht

Wie in Deutschland ist auch in Portugal das Recht des Erblassers beschränkt, über sein Vermögen völlig frei zu verfügen. Nächste Angehörige können nicht etwa durch Testament völlig um ihren Anteil am Nachlass gebracht werden. Was in Deutschland der sog. Pflichtteil ist, ist in Portugal das Noterbrecht der nächsten Angehörigen, die legítima. Die legítima ist kein bloßer Zahlungsanspruch gegen die Erben im Sinne des deutschen „Pflichtteils“, sondern begründet die Stellung eines gesetzlichen Erben (deshalb auch „Noterbrecht“ genannt).

Noterben sind der Ehegatte, die Vorfahren und die Abkömmlinge; für sie gelten gem. Art. 2157 CC die Reihenfolge und die Regeln der gesetzlichen Erbfolge, wobei sich die Höhe des Noterbteils nach Rang und Anzahl der vorhandenen Noterben richtet. Gibt es nur einen Noterben, umfasst die legítima die Hälfte des Nachlasses (Art. 2158, 2159 CC,). Gibt es mehr als einen Noterben, also etwa einen Ehegatten und ein oder mehr Kinder, beträgt die legítima 2/3 des Nachlasses und wird unter diesen nach Kopfteilen verteilt. Nur wenn es keine Abkömmlinge gibt steht auch den Vorfahren (neben dem Ehegatten) ein entsprechendes Noterbrecht zu (Art. 2161 Abs. 1 CC). Sind allein Vorfahren vorhanden, so beläuft sich der Noterbteil bei Verwandten des ersten Grades auf die Hälfte und bei Verwandten des zweiten oder eines entfernteren Grades auf ein Drittel des Nachlasses (Art. 2161 Abs. 2 CC).

Bei der Berechnung des Noterbrechts werden dem Nachlass sämtliche vom Erblasser vorgenommenen Schenkungen und zum Teil auch die außergewöhnlichen Zuwendungen an Nachkommen hinzugerechnet (Art. 2110, 2162 CC).

Will der sog. Noterbe sein Noterbrecht geltend machen, muss er die Erbschaft annehmen und gegenüber den Testamentserben die Herabsetzung ihrer eigenen Erbanteile verlangen. Der Erblasser hat jedoch die Möglichkeit das Noterbrecht „abzulösen“, indem er dem Berechtigten ein Vermächtnis aussetzt (Art. 2165 CC; legado em substituição da legítima). Nimmt der Noterbe das Vermächtnis an, verliert er sein Noterbrecht. Ein Pflichtteilsverzicht des angehenden Noterben zu Lebzeiten des Erblassers ist unzulässig (Art. 2170 CC).

Das Recht die Herabsetzung zu verlangen verjährt in 2 Jahren ab Erbschaftsannahme, Art. 2178 CC.

Die Enterbung eines Noterben – deserdação – ist unter Angabe des Grundes im Testament möglich (§ 2167 CC, etwa Erbunwürdigkeit). Sie kann von dem Enterbten jedoch innerhalb von 2 Jahren nach Testamentseröffnung angefochten werden (impugnação da deserdação).

Die Frage ob dem Berechtigten ein Pflichtteil nach deutschem Recht zusteht oder ein Noterbrecht nach portugiesischem Recht richtet sich danach, wo der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art. 21 EU-ErbVO). Dabei ist es grds. egal, ob der Erblasser sein Testament nach deutschem oder nach portugiesischem Recht gemacht hat. Etwas anderes gilt nur, wenn er eine testamentarische Rechtswahl getroffen hat zu Gunsten seines Heimatrechts.

5. Vor- und Nacherbschaft

Eine Entsprechung der deutschen Vor- und Nacherbschaft findet sich in Portugal in Gestalt der substituição fiduciária. Allerdings ist die Einsetzung eines fideicomissário (Nacherben oder Nachvermächtnisnehmers) nur einmal möglich und das Institut somit auf eine Generation beschränkt. Die substituição fiduciária kann auch im portugiesischen Grundbuch (cadastro) eingetragen werden.

Portugiesisches Erbrecht: Nachlassverfahren

Nach portugiesischem Recht tritt der Erbe – anders als in Deutschland – nicht automatisch in die Rechtsstellung des Erblassers ein, es findet also kein „Vonselbsterwerb“ statt. Stattdessen ruht die Erbschaft gem. Art. 2146 CC (sog. herança jacente) bis sie angenommen oder vom Staat für vakant erklärt wird. Eine Ausschlagung ist folglich nicht erforderlich. Die Annahme kann ausdrücklich, konkludent aber auch stillschweigend erfolgen und wirkt auf den Zeitpunkt der Eröffnung der Erbschaft zurück. Eine einmal erfolgte Annahme ist unwiderruflich (Art. 2061 CC), kann aber wegen arglistiger Täuschung oder Nötigung annuliert werden (Art. 2060 CC). Das Recht zur Annahme erlischt in 10 Jahren ab Kenntnis von der Erbenstellung.

Der Erbe haftet nach portugiesischem Recht nur mit dem Nachlass. Allerdings mus er im Zweifel beweisen, dass der Nachlass erschöpft ist. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn er das Erbe unter dem Vorbehalt des Inventars angenommen hat (a benefício de inventário) – dann beschränkt sich seine Haftung von vornherein auf den in einem gerichtlichen Inventarerrichtungsverfahren festgestellten Nachlass. Nachlassgläubiger oder Vermächtnisnehmer müssen dann ggf. beweisen, dass ein nicht im Inventar erfasster Gegenstand doch zum Nachlass gehört.

Portugiesisches Erbrecht: Erbschaftsteuer

Die EU-ErbVO hat keine Auswirkung auf die Besteuerung der Erbfolge, diese richtet sich nach wie vor nach dem jeweiligen nationalen Steuerrecht. Das bedeutet, dass derselbe Erbfall sowohl in Deutschland als auch in Portugal Steuern auslösen kann. Ein Doppelbesteuerungsabkommen gibt es zwischen Portugal und Deutschland nicht, die Anrechenbarkeit richtet sich nach nationalem Recht. Ein Erbschafts- und Schenkungsteuergesetz gibt es in Portugal seit dem 01.01.2004 nicht mehr. Allerdings unterliegen unentgeltliche Vermögensübertragungen auf portugiesischem Staatsgebiet der sog. Stempelsteuer (Imposto do Selo). Von der Stempelsteuer befreit sind wiederum unentgeltliche Vermögensverfügungen zwischen Ehegatten oder gegenüber ihren Abkömmlingen sowie gegenüber Verwandten in aufsteigender Linie (Art. 6 lit. e Código do Imposto do Selo).

Näheres zur deutschen Erbschafts- und Schenkungsteuer finden Sie hier.

Literatur zum portugiesischen Erbrecht

Eine aktuelle Version des Código Civil finden Sie hier: //www.codigocivil.pt/.